Rollator? Nein Danke!
Kindern fällt es sehr schwer mit ansehen zu müssen, wie sich die einst agile Mutter fortbewegt, im Gänsefüßchenmarsch und Zeitlupentempo und es ihr unglaubliche Mühe bereitet, überhaupt einen Fuß vor den andern zu setzen. Mitleid gepaart mit Handlungsdruck „dagegen muß man doch was tun“, lassen die Kinder nach schneller Abhilfe rufen: Ein Rollator muß her!
Kinder sehen die potentielle Entlastung und wundern sich, warum sich Ihre Eltern händeringend gegen einen Rollator wehren: Wollte man die Themen der alternden Gesellschaft in einem einzigen Symbol versinnbildlichen, dann würde die Gehhilfe von allen Hilfsmitteln am Besten passen. Sehr viel sichtbarer als ein Hörgerät wird mit der Benutzung des Rollators demonstriert: Dieser Mensch ist alt und die naheliegende Assoziation zum Rollstuhl ist negativ besetzt.
Der Rollator ist der Inbegriff des Altseins.
Medizinisch ist der Einsatz eines Rollators – außer als kurzfristiger Einsatz – stark umstritten, sind doch schon schwere Stürze aufgrund der Benutzung dieses Hilfsmittels passiert. Da mit zunehmendem Gebrauch das normale Gehen verlernt wird, sollte die Benutzung von einem ärztlichen Urteil abhängig gemacht werden.
Aber die medizinischen Aspekte sind nicht alles. Wir Kinder lenken unser Augenmerk viel mehr auf die Autonomie und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, die unsere Eltern mittels Rollator zurückgewinnen können. Umso erstaunlicher ist es für uns, wenn unsere Eltern sich händeringend gegen diese mögliche Verbesserung wehren. Vor allem da Rollatoren inzwischen in allen Ausführungen, Farben und Materialien zu erwerben sind und damit ähnlich wie der Gehstock eigentlich das Zeug zum Statussymbol hätten.
Wenn normales Gehen sowieso nicht mehr möglich ist, warum sperren sich unsere Eltern dann gegen eine Verbesserung wie ein sturer Esel?
Würde man die Themen der alternden Gesellschaft in einem einzigen Symbol versinnbildlichen, dann passt der Rollator von allen Hilfsmitteln am besten. Denn er wird als Vorstufe zum Rollstuhl bewertet und ist damit eng mit der Assoziation „Behinderung“ verknüpft. Sehr viel sichtbarer als ein Hörgerät wird mit der Benutzung des Rollators demonstriert: Dieser Mensch braucht ständige Hilfe. Damit erhält er den Stempel, kein voll funktionierendes Mitglied der Gesellschaft mehr zu sein.
Demzufolge wehren sich alte Menschen oft gegen die Anschaffung eines Rollators, obwohl er gerade Betroffenen, die ihre eigenen vier Wände ohne nicht mehr verlassen können, eine spürbare Freiheit zurückgibt: Die außerhäusige Welt ist wieder erreichbar……….
Lesen Sie weiter in dem Buch: „Wenn die Eltern plötzlich alt sind“ , Kapitel III Seite 148
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